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„Das Kreuz mit der Berücksichtigung der zusätzlichen Altersvorsorge in Höhe von 4% des Bruttoeinkommens beim Unterhalt!"

Um das „Wirr-Warr" um die Berücksichtigungsfähigkeit von Beiträgen zur zusätzlichen privaten Altersvorsorge bei der Unterhaltsbemessung verstehen zu können, muss man etwas ausholen.

Beginnen möchte ich beim sog. Altersvermögensgesetz (AVG) das einen Paradigmenwechsel innerhalb der Historie der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland darstellte. Seinerzeit als große Errungenschaft der von Kanzler Schröder geführten SPD-Regierung gefeiert, sollte die Umstellung des bislang umlagefinanzierten Rentensystems auf eine teilweise kapitalgedeckte Altersvorsorge dazu dienen, die Rentenversicherung langfristig für jüngere Regenerationen bezahlbar zu erhalten und ihrem Alter einen angemessenen Lebensstandard zu sichern (siehe Gesetzentwurf des AVMG auf Bundestagsdrucksache 14/4595).

Soweit so gut. Dass dieses Ansinnen aber voraussichtlich für große Teile der Bevölkerung gescheitert ist, ist zumindest naheliegend. Die Zahlen einer drohenden Altersarmut der ab 65-jährigen schwanken hier zwischen offiziell 20% bis über 40% bezogen auf die Gesamtbevölkerung.

In einer frühen Entscheidung vom 14.01.2004 - XII ZR 149/01 – zum Elternunterhalt, kam der Bundesgerichtshof (BGH) bei der Frage der Berücksichtigung von Beiträgen zur privaten Altersvorsorge zu der Erkenntnis, dass die primäre (umlagefinanzierte) Altersvorsorge in Zukunft nicht mehr für eine angemessene Altersversorgung ausreichen werde, sondern zusätzlich eine private Vorsorge zu treffen sei (vgl. Art. 6 des Altersvermögensgesetzes vom 26.06.2001, Bundesgesetzblatt I, 1310, 1335). Also billigte der BGH dem Verpflichteten eine zusätzliche Altersvorsorge als zusätzliche Abzugsposition vom Einkommen zu. Der BGH führte weiter aus; was die Höhe des entsprechenden Aufwands anbelangt, so lässt sich dies im Voraus kaum abschätzen, welche Leistungen für eine im Alter angemessene Versorgung erforderlich wären. Insoweit liegt es nahe, auf den Mindestselbstbehaltsatz des zum Elternunterhalt Verpflichteten zu schauen, der in der Regel um 25% höher ist als die bei anderen Unterhaltsverhältnissen. Daher liegt es ebenso nahe, den zum Elternunterhalt Verpflichteten ein um etwa 25% über der gesetzlichen Altersversorgung liegenden Betrag als zusätzlich absetzbar anzuerkennen. Da die gesetzliche Altersversorgung in Höhe von rund 20% des Bruttoeinkommens erfolgt, kann es in der Regel nicht als unangemessen betrachtet werden, wenn etwa in Höhe von weiteren 5 % (nämlich 25% von 20%) zusätzliche Altersversorgung betrieben werde.

In einer weiteren Entscheidung des BGH -ein Jahr später-, vom 11.05.2005 - XII ZR 211/02, entschied der Bundesgerichtshof zum Thema Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ehegatten und Kindern, dass sowohl dem unterhaltspflichtigen Ehegatten als auch dem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich ein Betrag von bis zu 4% ihres jeweiligen Gesamtbruttoeinkommen des Vorjahres für eine - über die primäre Altersversorgung hinaus betriebene - zusätzliche Altersversorgung zuzubilligen wäre.

Zur Höhe führte der BGH diesmal aus: „was die Höhe der Aufwendung anbelangt, erscheint es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der so genannten „Riester-Rente" einen Betrag von bis zu 4% des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres als angemessene zusätzliche Altersversorgung anzusehen".

Von einer Anlehnung an den noch im Bereich des Elternunterhalts herangezogenen Selbstbehalts musste der BGH hier offensichtlich absehen, da dies als Argumentationshilfe nicht mehr dienen konnte. Stattdessen bezog sich der BGH nun direkt auf das Altersvermögensgesetz. Gemäß § 1a des Altersvermögensgesetzes kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4% der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Gemäß Altersvermögensgesetz in Verbindung mit §§ 10a, 79 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) wurde auch der Mindestbeitrag bei der sog. „Riester-Rente", der mindestens geleistet werden muss, um ungekürzte Zulagen staatlicherseits zu erhalten auf derzeit 4% der rentenversicherungspflichtigen Einnahmen des Vorjahres festgelegt (seit 2008 unverändert).

Wir halten als Zwischenfazit fest:

Der Bundesgerichtshof billigt dem Unterhaltsverpflichteten (wie auch dem Unterhaltsberechtigten) zu, zusätzlich zu seiner primären Altersversorgung von rund 20% eine zusätzliche Altersversorgung von weiteren 4% (5% beim Elternunterhalt) seines Bruttoeinkommens des Vorjahres als zusätzliche Altersversorgung zurückzulegen. Dabei ist anerkannt, dass diese zusätzliche Altersversorgung nicht nur in Renten oder Lebensversicherungsbeiträgen, sondern auch in Sparguthaben und sonstigen reinvermögensbildenden Anlagen, wie z.B. Immobilien, Wertpapiere oder Fonds, anzuerkennen sind. Entscheidend ist, dass die Aufwendung auch tatsächlich erbracht werden, d.h. nur fiktive Aufwendungen sind nicht berücksichtigungsfähig.

Der Umstand, dass in den Jahren 2004 bis 2006 der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung 19,5 % und in den Jahren 2007 bis 2012 sogar 19,9% betrug (Quelle http://www.deutsche-rentenversicherung.de ) , verleitete zahlreiche Gerichte - auch Obergerichte - dazu, die Aussagen des BGH darauf zu verkürzen, dass der Unterhaltspflichtige von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge eine zusätzliche Altersvorsorge in Höhe von 4% seines Bruttoeinkommens betreiben könne.

Dies führte auch in der Berechnung dieser zusätzlichen Altersvorsorge zu Verkürzungen, dergestalt, dass von den Bruttoeinkünften des Unterhaltspflichtigen lediglich 4% zu errechnen und diese unterhaltsmindernd anzusetzen sind.

Völlig außer Acht gelassen wurde dabei aber, der sich seit 2012 stark verändernde Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung, der nunmehr 2016 bei nur noch 18,7% liegt. Weit ab also von den seinerzeitigen „rund 20 %".

In der Folge genießen meines Erachtens Selbständige gegenüber abhängig Beschäftigten einen erheblichen Vorteil bei der Zubilligung von zusätzlichen Altersvorsorgebeiträgen.

In den Leitlinien der bundesweit gültigen Düsseldorfer Tabelle - dort Pkt. 10 Pkt. 1 - heißt es beispielsweise: „Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegen, können für ihre Altersvo rsorge regelmäßig 20% ihres Bruttoeinkommens aufwenden. Für eine zusätzliche Altersversorgung können sie ebenso wie gesetzlich Rentenversicherte weitere 4% (beim Elternunterhalt 5%) ihres Bruttoeinkommens einsetzen."

Anmerkung:


Aus dieser letztgenannten Formulierung schließen bisweilen Gerichte und Kollegen, dass abhängig Beschäftigte –neben ihren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung- nur weitere 4% ihres Bruttoeinkommens in die zusätzliche Altersvorsorge einsetzen dürfen. Hierbei wird aber unberücksichtigt gelassen, dass sich der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung geändert hat. Das hieße, dass ein selbständig Tätiger insgesamt 24% seines Bruttoeinkommens für eine zusätzliche Altersvorsorge aufwenden kann, während ein gesetzlich Rentenversicherter (Arbeiter oder Angestellter) nach der (Fehl-)Interpretation der Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle nur 4% zusätzlich zu seiner primären Altersvorsorge - leisten kann. Da die primäre Altervorsorge derzeit bei 18,7% liegt, entspräche dies einer Summe von lediglich 22,7%. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung zwischen Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen und solchen, die einer gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegen, ist dem Verfasser bislang nicht bekannt.

Es bleibt spannend abzuwarten, wie der BGH mit dieser Frage umgehen wird, ggf. wartet er nur darauf, seine in der Öffentlichkeit und teils auch in der Rechtsprechung stark verkürzt wahrgenommene Rechtsprechung eindeutiger zu formulieren. Tendenzen lassen sich absehen, wenn erfreulicherweise bei manchen Obergerichten der Betonung der aktuellen gesetzlichen Rentenversicherung und deren Beitragssätze wieder mehr Gehör verschafft wird.

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